Erinnert sich der ein oder andere noch an „Timm Thaler“?
Der Deal war Geld für das Lachen des Jungen. So in etwa. Nicht nur, dass ich fast 40 Jahre nach diesem Strassenfeger mit Sigi gerade wieder einmal zwei Donna Leon Filme fertigstellen durft – ein Mann, der NIE sein Lachen verloren hat – nein, in den vergangenen Wochen und Monaten habe ich mir aus persönlichen Anlässen heraus immer wieder die Frage gestellt und stellen lassen: bin ich zu melancholisch? Nicht fröhlich genug? Oder noch schlimmer: freu ich mich zu selten?
Ich bin auf viele Freunde zugegangen – und habe mich umgeschaut und tatsächlich wildfremde Menschen in Cafés angesprochen, die da recht „traurig“ schauend auf ihren Kaffee oder ihr Smartphone starrten – und hab eine Idee davon bekommen, warum wir ein wenig „satt“ geworden sind, warum Smartphones einsam machen und warum es immer schwieriger wird, sich am Ende zu freuen. Und warum Melancholie in unserer Zeit auch eine Erholung sein kann.
Ein spannendes Gespräch hatte ich morgens um sieben in meiner Denkerecke am Lohmühlenbecken – ein Ort, an dem Manolo und ich bei jedem Wetter sitzen und ein wenig aufs Wasser starren, bevor der Tag losgeht. Und immer wieder kommen Menschen oder auch Hundebesitzer und mittlerweile auch Freunde dort vorbei und leisten Gesellschaft – und reden bei einer Tasse Kaffee, die sie mitbringen (natürlich im entsprechenden wiederverwertbaren Mug), über dies und das. Und erstaunlich war die Reaktion auf die Frage: „Wann hast Du Dich das letzte Mal gefreut?“.
Es scheint ein Phänomen zu sein, dass man sich dafür kaum noch Zeit nimmt. Wirklich diese Freude, die wie in Kinderzeiten aus Menschen rausplatzt, wenn sie das bekommen, was sie nun gar nicht erwartet haben. Oder etwas erleben, das sie total berührt. Oder einfach etwas sehen, was sie berührt.
Wir sind gesättigt – wir kaufen uns, was wir brauchen (oder auch nicht), wir umgeben uns mit Sachen und Sachen, die uns (vermeintlich) berühren. Wir reden über Achtsamkeit, Nachhaltigkeit und Wertschätzung – ohne dabei zu merken, dass es alleine durch diese Auseinandersetzung total offensichtlich ist, dass es eben fehlt. Und anstatt auf das „wieso“ zu schauen, lassen wir es uns erklären und benennen es – aber merken nicht: es ändert sich nichts, wenn man nur darüber redet, aber nicht in sich selbst schaut und bereit ist, innezuhalten.
Und dann war da noch die Sache mit der Zwischenmenschlichkeit. In Zeiten, in denen man sich Frauen und Männer via Daumenbewegung „bestellen“ kann, in denen Widerstand, gelerntes und schwer abzulegendes Verhalten oder einfach etwas „unangenehmes“ gleich zu Zweifeln oder Ambivalenz im Mitmenschlichen führt – und ich spreche hier nicht nur von Beziehungen, auch Freundschaften werden hier auf neue, interessante Proben gestellt – in diesen Zeiten ist es tatsächlich für viele Menschen schwer geworden, sich übereinander zu freuen. „Ich freue mich, Dich zu sehen“ – ein Satz, den man auch in diesen Tagen wieder oft hört – aber nicht sieht. Eine Floskel. Ähnlich wie „How are you?“ – der „Dooropener“, um sich dann auch danebenbenehmen zu können…
Man kann sich nicht dazu zwingen, sich zu freuen. Aber man kann es für sich selber thematisieren – und sich die Frage stellen: ist es vielleicht alles etwas zu egal geworden? Und – warum ist man so satt? Oder so – taub?
Ich freue mich gerade, mit Manolo hier im Fenster meiner Wohnung zu sitzen, einen Kaffee aus meinem alten Emaille Becher zu trinken, einem Geschenk eines lieben Menschen, über das ich mich sehr gefreut habe, und mich mit diesem Gedanken beschäftigen zu dürfen. Ich freue mich, dass ich gestern zwei wunderbare Gespräche mit tollen Menschen hatte, die ich gerne in meinem Leben habe. Und – dass es da draussen einfach Freunde, Kollegen und Familie gibt, die mir sehr viel bedeutet. Das macht mich tatsächlich gerade fröhlich und ich freue mich darüber. Ich werde in ein paar Wochen 45 – und finde, dass so ein kleiner Augenblick gerade genau richtig ist. Die vergangenen 12 Monate waren extrem intensiv – beruflich, privat, emotional – und innehalten zu können und zu lächeln – das hat etwas.
„Die Ironie will es so, dass wir dann, wenn wir das Objekt unserer Wünsche erlangt haben, immer noch nicht zufrieden sind. Auf diese Weise nimmt die Begierde nie ein Ende und ist eine ständige Quelle der Schwierigkeiten. Das einzige Gegenmittel ist die Genügsamkeit.“ Der Dalai Lama hat gut reden – aber der Augenblick ist manchmal einfach richtig – und wir sehen es einfach nicht.
Nicht mehr.
Und nicht weniger.