Ich habe jetzt wieder Jahre nichts geschrieben – aber heute morgen war es so weit. Kein Scherz – ich stand in meiner Küche, bereitete mir einen Waffelteig zu und dachte darüber nach, warum ich als 50-jähriger das Leben eines 20-jährigen führe. An einem Sonntag ohne Familie barfuss in der Küche stehen und sich selbst Waffeln machen – ist das normal? Oder – bin ich einsam?
Ich habe viele Menschen in mein Leben kommen und gehen sehen. Viele glücklich. Viele unglücklich. Viele mit einem Plan, wohin sie wollen – manche mit einem Plan, der niemals endet, manche mit einem Plan, der von aussen betrachtet zu groß schien und sie unter einen enormen Druck setzte. Der sie aber auch in Bewegung hielt. Unendlich.
Es gibt kein richtig oder ein falsch.
Jeder muss wissen, was er am Ende des Tages tut – oder eben auch nicht. Jeder Tag muss etwas Gutes bringen – selbst, wenn es nichts gutes ist. Denn dann hat man etwas, woraus man lernen kann.
Was mich nur beschäftigt hat – und das nicht erst seit drei Jahren – ist die Begegnung mit Menschen, die Teil Lebens anderer sein wollen. Oder die Menschen kennenlernen, deren Leben sie teilen wollen. Und ich bin und war erstaunt – wie sehr persönlichen Macken dazu führen, das Menschen ihre wichtigen Ziele aus dem Auge verlieren wollten. Oder wie sehr sie sich auch oft gewehrt habe, ihr Leben ändern zu wollen. Um es negativ zu formulieren. Oder auch – wie sehr sie bereit war, etwas zu ändern – oder jemand anderes offen, etwas für sie zu ändern.
Die Frage aber ist – im Blick auf das Große und Ganze – wie nachhaltig, wie wertschöpfend und -schätzend und wie dauerhaft diese Ambitionen am Ende immer waren.
In einer Welt, in der Partner sich mehr Bösartigkeiten an den Kopf werfen, als Wertschätzung zu zeigen, in der der mehr Freunde eher auf „Bedarf“ achten, als auf Tiefe, in der mehr Menschen einen „Nutzen“ suchen, denn einen Wert – in wiefern sind da die alten Werte noch von Bestand? Wie lange können Menschen mit dem Gefühl leben, dass vieles eine Lüge oder Aneinanderreihung von Kosten-Nutzen-Rechnungen ist.
Viele meiner Freunde – mich eingeschlossen – haben Menschen digital kennengelernt. Ein Umstand, den unsere Eltern nur bedingt verstehen. Wie kann man Freundschaft oder gar Liebe „online ordern“? Ich beobachte viele Freunde, die erstaunt sind, wie schnell sie sich verlieben – und wie schnell sie sich endlieben, wenn etwas nicht passt. Ein bisschen wie Amazon – nur dass die Retouren wirklich nicht gut tun und auch Deiner Umwelt schaden.
Liegt es an der Digitalisierung – oder liegt es an der Beliebig- und Austauschbarkeit von Freundschaft?
Ich bin kein Großmeister in Freundschaften. Liegt ein bisschen an meiner Kindheit – aus Gründen habe ich selten Freunde mit nach Hause bringen wollen. Es war mir etwas unangenehm. Fragen zu beantworten oder Sachen erklären zu müssen. Daraus wurde mit der Zeit eine gute Strategie – und spätestens seit Corona weiß ich auch, dass alleine sein seine großen Vorteile hat.
Doch immer wieder kommt es vor, dass Menschen meinen Weg kreuzen, für die ich das ändern wollen würde. Freunde. Frauen. Und die traurige Nachricht der vergangenen Jahre ist irgendwie ja auch – es ist alles austauschbar geworden. Auf beiden Seiten. Widerstände werden nicht als menschlich interessant akzeptiert – sondern man versucht so lange, sich zu ändern, bis man ermüdet aufgibt. Oder einfach gar nicht mehr den Sinn in der Änderung sieht und einfach nur sehr schnell das Weite sucht. Oder – gerade in Freundschaft – sind die Fragen eines Nutzens sehr schnell im Vordergrund „wozu kann diese Person in meinem Leben gut sein“. Status? Kontakte? Eine gute Seele, die man zutexten kann – und wenn kein Ratschlag mehr kommt, kann man gehen?
Ich erlaube mir hier kein Urteil, da ich selbst oft genug Menschen weh getan habe. Aber ich frage mich ehrlich, warum wir es nicht mehr hinbekommen, entweder Atem zu zeigen, ehrlich zu sein oder einfach nur jemanden dafür zu mögen, wie er oder sie ist? Sie hinzunehmen und dem ersten Impuls, warum man sich mal mochte, so zu nehmen und daraus entstehen zu lassen, was halt entstehen will. Bekanntschaft? Freundschaft? Liebe? Oder eben die ganz Runde rückwärts. Dass am Ende vielleicht Respekt und eine Freundschaft bleibt – aber eben nicht Hass, zerkratzte Autos oder Stalking.
Menschen tendieren dazu, erst vorsichtig, dann sehr harsch etwas einzufordern. Sie wollen andere Menschen verändern, damit sie ihren Idealen entsprechen. Na gut, nicht alle – viele meines es wirklich gut mit Ratschlägen. Aber oft sind es enttäuschte Wünsche – oft sogar egoistisch – die zu Irritationen, Verzweiflung und am Ende Wut führen. Übrigens am Ende auf beiden Seiten. Man verliert den Respekt voreinander und wohin das führt, hab ich zweieinhalb Jahre am eigenen Leib erlebt – als der, der erst aufbauen sollte, was zerstört wurde – und dann selbst wieder zerstört hat, was er aufgebaut hat. Aber das sind alte Kamellen und nicht weiter der Rede wert.
Warum so destruktiv?
Meine liebste und beste Freundin kenne und mag ich mittlerweile seit fast 30 Jahren. Wow. Wir haben uns nie gestritten. Wir können arschig zueinander sein. Und manchmal provoziert man sich auch. Aber am Ende – ist man befreundet und mag sich und weiß: der andere meint es nie böse.
So einfach kann es sein. Man meint es nicht böse. Ist kein Freifahrtschein – aber wenn beide erst einmal davon ausgehen, macht es vieles einfacher.
Ich habe gerade in den vergangenen drei, vier Jahren Menschen „Freunde“ genannt, die sich am Ende eher als kalkulierende Bekannte herausstellten, die kamen und nicht wirklich akzeptierten oder gar einfach irgendwann keinen (Mehr)Wert mehr darin sahen, zu bleiben. Am Anfang war ich enttäuscht – aber irgendwann merkt man auch: man ist ja kein Stück besser. Man hätte auch zum Hörer greifen, sich entschuldigen, rückfragen oder einfach Tacheles reden können. Aber da sind sie, die Anstrengungen. Und in Zeiten der gelebten Oberflächlichkeit, lebt man dann mit dem Verlust und füllt die Lücken.
Aber man lernt ja auch dazu – und damit kamen da die neuen Freunde – und damit eine neue Kommunikation. Einfach mal alles auf den Tisch werfen, was an einem nicht passt – und wo man in der Vergangenheit ein Arsch war – und gleich damit das Momentum schaffen, dass der andere weglaufen darf. Und – sie blieben. Zwei, drei, vier Freunde, auf deren Anrufe man sich freut, mit denen man in schäbigen Einkaufsmeilen in Berlin sitzt und Arcade Games spielt oder in ein Casino geht, obwohl man das immer doof gefunden hat. Oder mit denen man in einen seltsamen LGBTQ+-Drag-Talk geht und herzlich lachen muss, als das Thema am Ende nur „Kacken“ ist. Oder die Frau, mit der man eben nicht mehr teilen kann, als das – und wo sich die Freundschaft plötzlich als wichtiger herausstellt als das „Mehr“.
Entwicklung, oder?
Wenn Menschen viel mehr mit dieser Grundeinstellung aufeinander zugehen würden – könnte man Kriege vermeiden. Die anderen meinen es einfach nicht böse. Don’t get me wrong. Ich sag nicht, dass in den Kriegen, die da laufen, Menschen es nicht böse meinen. Es gibt böse Menschen – aber wenn jemand auf der Strasse Dir die Vorfahrt nimmt – meint er das böse? Oder ist er nur unachtsam?
Wenn ein Freund sich an Deinem Geburtstag nicht meldet – meint er das böse? Oder ist er nur unachtsam?
Wenn Deine Beziehung Dir nicht die Aufmerksamkeit, wie am ersten Tag schenkt – ist sie dann desinteressiert oder vielleicht nur abgelenkt?
Man braucht nicht viele Menschen in seinem Leben. Es geht nicht um Masse – es geht um Qualität. Sein Leben auch alleine leben zu können – ist eine große Sicherheit, die man sich selbst geschaffen hat. Und niemand hat das Recht, diese Sicherheit – von innen, aus der Position einer Freundschaft oder Beziehung – anzugreifen. Freunde sind die, die freundlich fragen, ob sie teil Deines Lebens sein dürfen, weil sie Dich für die Person schätzen, die Du geworden bist. Ist wahrscheinlich nicht von mir – aber irgendwie passend.
Wenn man davon mehr ausgeht, dass jemand etwas nicht böse meint – und man sein Verhalten auch genauso hinterfragt – würde es uns allen besser gehen. Weniger Kalkül. Weniger Erziehung. Weniger Frustration. Weniger Grenzen. Weniger Verteidigung.
Mehr Miteinander. Mehr Kommunikation. Mehr Menschen, die authentisch sind.